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Keine Widerspruchsmöglichkeit gegen ordentliche Kündigung trotz Schonfristzahlung

News: 30.07.2020 in Allgemein

Ein Mieter hat nach Widerspruch gegen eine ordentliche Kündigung keinen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen unbilliger Härte nach § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zu einer fristlosen Kündigung berechtigt. Auch eine fristgerechte Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB ändert an dem Ausschluss des Fortsetzungsanspruches des Mieters nichts.

Der Fall

Die Vermieter einer Wohnung nehmen die Mieterin auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch, nachdem das Mietverhältnis wegen bestehender Zahlungsrückstände außerordentlich und hilfsweise ordentlich gekündigt wurde. Das Mietverhältnis besteht seit etwa 30 Jahren. Die Miete nebst Betriebskostenvorauszahlungen betrug zuletzt 564 Euro monatlich. In der Räumungsklage hat die Vermieterin erneut die fristlose und hilfsweise die ordentliche Kündigung ausgesprochen. Die Mietrückstände wurden innerhalb der Schonfrist vom Jobcenter vollständig beglichen. Die Beklagte wendet ein, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für sie angesichts der langen Wohndauer und der damit einhergehenden Verwurzelung, wegen fehlenden Ersatzwohnraums sowie mit Rücksicht auf die bei beiden Kindern bestehenden Entwicklungsauffälligkeiten eine unzumutbare Härte darstelle. Das Amtsgericht in der ersten Instanz hat der Räumungsklage stattgegeben, wohingegen das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hat mit der Begründung, dass sich das Mietverhältnis nach §§ 574, 574a BGB infolge einer nicht zu rechtfertigenden Härte auf unbestimmte Zeit verlängere. Damit hat das Landgericht die von der Mieterin vorgebrachten Einwände berücksichtigt und die Ansicht vertreten, dass ihr keine verhaltensbedingten Vertragsverletzungen vorzuwerfen seien und hinzukommend die fristlose Kündigung mit der Schonfristzahlung rückwirkend unwirksam geworden sei.

Die Entscheidung

Die Begründung der Vorinstanz hält der rechtlichen Überprüfung durch den Bundesgerichtshof nicht stand. Der Räumungsanspruch des Vermieters nach § 546 Abs. 1 BGB kann nach Ansicht des BGH nicht verneint werden. Das Recht des Mieters, einer ordentlichen Kündigung zu widersprechen, ist nach § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB dann ausgeschlossen, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zum Ausspruch der fristlosen Kündigung berechtigt. Zwar führt die Schonfristzahlung dazu, dass die fristlose Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam wird. Die Wirksamkeit der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung bleibt davon jedoch unberührt. Die Möglichkeit des Widerspruchs wegen einer von der Mieterin geltend gemachten unzumutbaren Härte lebt auch nicht durch einen vollständigen Ausgleich der Zahlungsrückstände innerhalb der gesetzlichen Schonfrist wieder auf. Es ist nicht einmal erforderlich, dass der Vermieter die fristlose Kündigung erklärt hat. Vielmehr ist es ausreichend, dass dem Vermieter bei Zugang der ordentlichen Kündigung – wie im vorliegenden Fall – auch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zusteht. Aufgrund einer derart schweren Vertragsstörung ist die Anwendung der Härtefallregelung des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB von vornherein ausgeschlossen. Der Bundesgerichtshof sieht in solch einem Fall auch keinen Raum für eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion, da hierfür eine verdeckte planwidrige Regelungslücke im Gesetz vorliegen müsste. Dafür ergeben sich jedoch nach der Gesetzeshistorie keinerlei Anhaltspunkte. Der Gesetzgeber hätte dafür eine ausdrückliche Regelung vorsehen müssen, wenn er für den Fall der Schonfristzahlung den Schutz des Mieters noch hätte weiter ausdehnen wollen. Das Urteil der Berufungsinstanz wurde somit aufgehoben und der Rechtsstreit dorthin zurückverwiesen.
 

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Juli 2020, Az. VIII ZR 323/18

Vorinstanzen:
LG Berlin, 12. September 2018, Az. 64 S 4/18
AG Berlin-Charlottenburg, 28. November 2017, Az. 206 C 310/17

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